Georgien & Armenien - unterwegs im Kaukasus
Gastfreundschaft, Lebensfreude, unfassbar schöne Landschaften und jede Menge Weltkulturerbe - wir freuen uns, all´ das in den beiden kleinen Ländern erleben zu können.
Georgien
Tiflis / Tbilissi
Unser erster Tag in Tbilissi beginnt mit Sonne und ganz vielen neuen Erkenntnissen. Letztere haben wir der Georgierin Eka Abashishvili zu verdanken. Wir sind mit ihr verabredet und entdecken mit ihr Tiflis oder Tbilissi, wie die Georgier selber ihre Hauptstadt nennen.
Die über 1500 Jahre alte Stadt ist im Wandel. Im Kontrast stehen sowjetische Wohnblogs, alte Kirchen und die traditionellen Wohnhäuser der Altstadt mit ihren oft bunten, ornamentreichen Holzbalkonen. Weinreben schlängeln sich an Pergolen nach oben und nicht selten trocknet Wäsche dazwischen. Viele Häuser der Altstadt sind bereits restauriert, anderen werden gerade renoviert. Der morbide Charme erinnert uns ein wenig an die mediterranen Orte des Mittelmeers.
Über allem thront die weiße Statur der Mutter Georgiens „Kartlis Deda“ mit Weinschale und Schwert in der Hand und die Narikala Festung. Mehre Wege führen nach oben. Wir bevorzugen die Gondel-Seilbahn, die über den Dächern der Altstadt hinaufschwebt. Eka berichtet von einer wechselhaften Geschichte, in der die Griechen, die Römer und Persien ihre Spuren hinterließen. Auch die Araber standen irgendwann vor der Tür. Die Mongolen verwüsteten das Land gleich mehrmals. Dann kamen die Osmanen und zum Schluss die Russen. Bei all´ dem Wechsel gaben die Georgier aber nie ihre Sprache auf und behielten die eigene Identität.
Von der Festung Narikala haben wir einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt. Gut zu erkennen ist die futuristische, bogenförmige Friedensbrücke, der Präsidentenpalast und das muschelförmige Publik Service Hall Gebäude. In diesem Justizgebäude bekommen die Bürger alle staatlichen Dienstleistungen – Baugenehmigungen, Geburtsurkunde, Heiratsurkunden, Reisepässe….. Wer nicht selber erscheinen kann, beantragt die Dinge auf digitalem Weg. Als die Schulen während der Pandemie auf digitalen Unterricht umstellten, geschah das in kurzer Zeit, denn die Grundlagen dafür waren bereits vorher gelegt. Wir schauen etwas neidisch auf dieses Phänomen, den all` das soll selbst in entlegenen Gegenden des Landes funktioniert!
Der Besuche des Bäderviertels im Stadtteil Abanotubani ist der perfekte Abschluss des ersten Tages. Schon Alexander Puschkin soll das schwefelhaltige, heiße Wasser der Badehäuser genossen haben. Wir tun es ihm gleich und besuchen das Thermalbad Chreli Abano, mit seiner blauen Kachelfassade. Innendrin werden wir in einen kleinen Raum geleitet, dass mit seinem über 40 Grad heißem Schwefelwasser auf uns wartet. Als wir so richtig gut „durchgegart“ sind, bekommen wir noch ein kräftige aber wohltuende Peelingmassage.
Am letzten Abend in Tiflis haben wir die Gelegenheit den georgischen Fotografen Gia Chkhatarashvili zu besuchen. Er gibt uns einen kleinen Einblick in seine Arbeit und zeigt uns seine eindrücklichen Schwarz-weiß Fotos, die das Leben auf dem Land in den 1990 er Jahren zeigen. Durch ihn erleben wir aber auch die herzliche Gastfreundschaft, für die die Georgier so bekannt sind, denn er hat für uns typische, sehr leckere Speisen zubereitet. Ein georgischer Wein fehlt selbstverständlich auch nicht.
Es fällt ein wenig schwer, Tbilissi zu verlassen, aber am Ende unserer Reise kommen wir noch einmal in diese Stadt. Genug zu sehen und zu erleben gibt es bestimmt noch.
Ganz im Osten Georgiens - David Garedji und der Vashlovani National Park
Heute geht es raus aus Tbilissi. Unsere Ziele sind das Höhlenkloster David Garedji und der Ort Sighnaghi. Von hier aus wollen wir in den Vashlovani National Park. Die Orte liegen ganz im Osten Georgiens, nah an georgisch- aserbaidschanischen Grenze.
Ab jetzt begleitet uns Giorgi Macaberidze. Georgi hat rote Haare und grüne Augen – sehr ungewöhnlich für einen Georgier. Ungewöhnlich ist auch das, was er macht. Er holt tief Luft und fängt an: Abenteuerreisen in Georgien begleiten und organisieren, Skitouren und Schauspieler, Lokation Scout, Caterer, Werbespots drehen und vieles mehr. Im Laufe des Tages erfahren wir, dass er außerdem Zapfenpflücker ausbildet. Sie klettern auf die 40-60 m hohen die Tannen, um die Zapfen zu pflücken, aus dessen Samen irgendwann unsere begehrten Nordmanntannen zu Weihnachten entstehen. Er und seine Kollegen wollen mit der Ausbildung verhindern, dass die Kletterer ihren gefährlichen Job schlecht ausgerüstet und ungesichert ausführen. Zu oft sind tödliche Unfälle passiert. Die Tannen stehen tief und abgelegen in den Bergwäldern des Nordkaukasus. Dort kommen wir auf unsere Tour leider nicht hin, sagt Georgi.
Dafür stehen wir nun in die Steppenregion vor den malerisch gelegenen Höhlenklöster David Garedji in der Halbwüste von Udabno in der Region Kachetien. Viele der Höhlenwohnungen des älteste Kloster Georgiens sind längst verlassen, aber in einigen von ihnen leben noch eine Handvoll Mönche. Einer der historisch wichtigsten Köster des Landes hat allerdings Probleme mit der Wasserversorgung. In dieser trockenen, entlegenen Gegend ist es auch für die wenigen Mönche eine Herausforderung, an Wasser zu gelangen.
Weiter geht es in den Vashlovani National Park. Auf dem Weg dort hin halten wir für eine Mittagspause im Dorf Udabno. Udabno heißt und bedeutet Halbwüste. Bäume und Sträucher sind selten und im Sommer wird es hier sehr heiß. Jetzt überzieht ein grüner Teppich die Landschaft. In der Outdoor-Küche des kleinen Restaurants können wir zusehen, wie eine ältere Köchin sehr geschickt gefüllte Teigtaschen herstellt und in einem Holzofen backt. Georgi erzählt, dass die Köchin eigentlich aus der georgischen Bergregion Swanetien kommt. Da die Menschen aus dem nahen Aserbeidschan nicht dominieren sollten, siedelte man die von Bergrutschen bedrohten Swanetier hier um Udabno an.
Für die Einfahrt in den Park sind einige Formalitäten nötig, nicht zuletzt wegen der Nähe zu Aserbeidschan. Giftige Schlangen, Wölfe, Wildschweine, Gazellen und sogar ein kaukasischer Leopard sollen hier leben. Neben der unglaublichen Landschaft entdecken wir allerdings nur die kaukasische Landschildkröte. Die anderen Tiere bleiben uns verborgen. Der Park selber ist nur mit einem Geländewagen zu befahren, denn die Wege des Parks sind manchmal als solche gar nicht zu erkennen. Die unglaubliche Landschaft dieser entlegenen Gegend ist atemberaubend und entschädigt für Strapazen.
Wesentlich lebendiger geht es in unserem Übernachtungsort Sighnaghi zu. Das mittelalterliche Städtchen auf über 700 m Höhe thront auf einem Bergkamm. Von hier haben wir einen fantastischen Blick auf die schneebedeckten Berge des großen Kaukasus.
Telawi und ganz viel Wein
Schon um Sighnaghi haben wir sie gesehen – die Weinreben. In der Stadt Telawi schauen wir auf ungezählte Weinberge – hier ist der Wein all` gegenwärtig. Die Georgier produzieren seit mindestens 8.000 Jahren Wein! Georgien ist damit eines der Ursprungsländer des Weinbaus und der kultivierten Weinrebe. Die Methode des Weinkelterns ist bis heute unverändert.
In und um Telawi wird überall der traditionelle Quevri-Wein angeboten, so dass man schnell die halbe Zeit beschwipst sein kann. Unsere Unterkunft bei Telawi ist auch gleichzeitig ein Weingut. Hier können wir bei einer Weinprobe den typischen Georgischen Wein probieren. Schon die Farbe des Weins lässt erahnen, dass dieser Wein anders ist, als die Deutschen Weine. Die goldene Farbe hat seinen Ursprung in der Aufbewahrung und Herstellung, erfahren wir. Zunächst kommen die Trauben samt Kern und Stiel in einen Bottich. Nach dem Stampfen der Trauben wird der Saft einige Tage stehen gelassen. Setzt die Gärung ein wird der Saft umgefüllt, bis der Gärungsprozess abgeschlossen ist. Den Jungwein gießt man nun in Quevri. Das sind amphorenartige Tongefäße, die in die Erde eingelassen werden, so dass nur der Hals aus dem Boden ragt oder auch gar nicht zu sehen ist. In diesen irdenen Gefäßen bleibt der Wein mehrere Monate, bis er ausgereift ist.
Zu sowjetischen Zeiten fand georgischer Wein starken Absatz. Die Massenproduktion begann. Das Alkoholverbot der 1980er-Jahre traf Georgien hart. Hektarweise wurden Weinberge im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Alkoholismus niedergelegt. Die georgische Weinwirtschaft geriet in große Schwierigkeiten. Nach der Unabhängigkeit Georgiens 1991 boykottierte der traditionelle Abnehmer Russland mehrere Jahre georgische Produkte und verhängte im März 2006 sogar einen Einführstopp für georgischen Wein. Die georgische Weinwirtschaft wurde schwer getroffen. Mittlerweile produziere die Georgier Qualitätsweine und erschließen sich damit neue Märkte.
Der Wein gehört zu jeder Feier dazu, erzählt Georgi. Bei einer Feier rechnet man mindestens 2-3 Liter pro Person. Bei dieser geringen Mengekalkulation geht man aber davon aus, dass einige Gäste keinen Wein trinken, sagt Georgi. Eigentlich stellt fast jeder in Kachetien seinen eigenen Wein her und hat entsprechend Tonkrüge, aus denen man sich nach Belieben bedient. Geht man mit der Familie essen, wäre es durchaus üblich seinen eigenen Wein mit zu bringen, erklärt Georgi. Denn jeder ist davon überzeugt - der eigene Wein ist der Beste.
Stepanzminda und die gewaltige Bergkulisse des großen Kaukasus
Von Telawi fahren wir nach Stepanzminda. Der Ort liegt auf 1.700 m am Fuß des 5.047 m hohen Berges Kasbek im Großen Kaukasus. Dazu fahren wir auf der alten, georgischen Heerstraße. Die Heerstraße folgt einer Route, die von Soldaten und Händlern seit Jahrtausenden benutzt wurde. Heute ist sie eine wichtige internationale Fernstraße, die Georgien mit Russland verbindet. Kilometerlang reihen sich LKWs aus Georgien, Armenien, Russland, Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan und vielen anderen Ländern am Straßenrand hintereinander auf. Sie alle warten auf die Zollabfertigung für Russland. Die Länder haben sich dem Boykott gegen den Ukraine-Krieg nicht angeschlossen. Wirtschaftlich können und wollen sich diese Länder den Boykott gegen Russland nicht leisten. Seitens der Bevölkerung ist die Solidarität mit der Ukraine trotzdem sehr groß, denn die Angst eines Übergriffs ist allgegenwärtig. Georgi sagt, dass sein Land allein in seinen 28 Lebensjahren drei Mal im Krieg war! Wir merken, dass das Leben hier ein anderes ist, denn wir haben in den letzten 70 Jahren keinen Krieg mehr im eigenen Land gehabt. Hoffen und wünschen wir es Georgien, dass auf der georgischen Heerstraße weiter nur Waren transportiert werden!
Kurz vor dem höchsten Punkt der Strecke – auf 2.385 m befindet sich noch ein Relikt aus der Sowjetzeit. Es ist das äußerst ungewöhnlich Denkmal aus Beton zur 200-Jährigen georgisch-russischen "Freundschaft". Abgebildet ist ein Zyklus russischer und georgischer Legenden, gruppiert um die Figur von Mütterchen Russland, die mit ihren Armen Georgien, in Gestalt eines unschuldigen Jungen, umfangen hält.
Am Nachmittag fängt es an zu regnen. Tiefe Wolken umschlingen die hohen Berge. Als wir in Stepanzminda ankommen gibt es keine Chance, einen Blick auf den hohen Kasbek zu bekommen. Schon von unserem Zimmer hätten wir einen traumhaften Blick auf die Dreifaltigkeitskirche und den hohen Bergen dahinter, sagt Georgi. Die Wetter-Prognose ist auch für den kommenden Tag schlecht. Mit Georgi verabreden wir deshalb, dass wir spontan schauen, was zu machen ist. Am nächsten Morgen um 5:30 Uhr wird es hell. Auch wir sind hellwach und merken, dass sich was tut. Der Regen hat aufgehört und die Wolken geben allmählich den Blick frei. Schnell sitzen wir bei Georgi im Wagen und fahren den steilen 7 km langen Weg zur Dreifaltigkeitskirche nach oben. Das Thermometer zeigt Null Grad an. In der Nacht hatte es geschneit, so dass die umliegenden Berge wie gepudert aussehen. Zu dieser frühen Uhrzeit sind nur wir und ein Mönch hier. Und dann kommt tatsächlich die Sonne raus und wir haben einen atemberaubenden Blick auf Landschaft und Kirche.
Nach zwei Tagen fahren wir wieder raus aus dem großen Kaukasus. Die Nacht hatte es geschneit. Am Morgen scheint dennoch die Sonne, so dass wir mit einem wunderbarem Bergpanorama verabschiedet werden.
Mzcheta und gewichtige Menschen
Auf der Fahrt, raus aus dem Kaukasus, geht es auf den 180 km nicht nur 1.300 Höhenmeter abwärts, auch die Temperatur verändert sich merklich. Wir erreichen Mzcheta bei sonnigen 28 Grad. Mzcheta ist vorerst unsere letzte Station in Georgien. Die frühere Hauptstadt Georgiens besitzt zwei wunderschöne Kirche. Die Jvari-Kirche thront oberhalb der Stadt auf einem Hügel. Sie ist schon von weitem sichtbar. Viele Georgier besuchen dieses Gotteshaus, denn es ist eine der wichtigsten Kathedrale des Landes. Plötzlich macht mich Georgi auf einen besonderen Besucher aufmerksam. Es ist Lasha Talakhadze – Georgiens bester Gewichtheber und mehrmaliger Weltmeister im Superschwergewicht. Bei den letzten olympischen Spielen in Japan hat er eine Goldmedaille geholt. Außerdem hält er den Weltrekord 488 kg! Viele erkennen ihn sofort und bitten um ein gemeinsames Foto, denn der Gewichtheber ist in seinem Land hoch geschätzt.
Das andere Gotteshaus befindet sich inmitten der Stadt. Es ist die mittelalterliche Swetizchoweli-Kathedrale. Die jetzige Kirche wurde 1010 bis 1029 erbaut. Die Armenische Apostolische Kirche ist die älteste Staatskirche der Welt. Die ersten armenischen Christen finden bereits um 197 Erwähnung. Auch in dieser Kirche sind viele Gläubige. Ein Mönch fragt neugierig, woher wir denn kämen und ist fest entschlossen auf ein Foto zu kommen.
Armenien
Heute besuchen wir das zweite Land unserer Reise – Armenien. Damit verabschieden wir uns vorerst von Goergi. Er bringt uns noch bis zur Grenze. Hinter der Grenze werden wir herzlich von Tatev Saroyan und ihr Mann begrüßt. Mit Tatev hatten wir schon vor zwei Jahren Kontakt. Damals mussten wir die Reise stornieren. Nun stehen wir uns gegenüber und freuen uns, uns endlich persönlich kennen zu lernen. Die Verständigung ist kein Problem, denn Tatev spricht perfekt Deutsch. Sie hat in Armenien Wirtschaftswissenschaften/ Finanzen studiert und war für ein Stipendium in Deutschland.
Ganz neue Erkenntnisse in Debet
Unser erster Weg führt uns nach Debet im Bezirk Lori und damit zum COAF SMART Center. Hier befindet sich unsere Unterkunft. Gleichzeitig ist das Center für die Kindern dieses ländlichen Bezirks ein Schulungscentrum in den Lernfächern IT, Ingenieurwesen, Leichtathletik, Kunst, Musik, Sprachen und Management. Kinder werden im Alter von sechs Jahren bis zum Abschluss intensiv und effektiv mit modernsten Lernmitteln gefördert. Bereits das Gebäude sieht ungemein futuristisch aus. Die Kinder sitzen konzentriert an modernsten PCs, können in den Büchern der kleinen Bibliothek stöbern und eine Kantine bietet leckeres und gesundes Essen an. Diese Einrichtung passt so ganz und gar nicht zu den Vorstellungen, die wir von Armenien haben, ist allerdings auch ein Vorzeigeprojekt, welches viele Unterstützer und Sponsoren hat.
Dilijan - die „Kleine Schweiz“ Armeniens
Wir verlassen diesen besonderen Ort und fahren nach Dilijan. Dilijan ist eine Stadt in der nordarmenischen Provinz Tawusch. Sie war im Mittelalter der Urlaubsort der armenischen Könige und gehörte in der sowjetischen Zeit zu einem der führenden Kurorte des Landes. Die gebirgige Landschaft mit seinem großen Waldgebiet wird oft mit der Schweiz verglichen und hat deshalb den Beinamen „armenische Schweiz“. In der Ortsmitte von Dilijan befinden sich entlang der Scharambejan-Straße gut restaurierte Häuser. Außerhalb gehört das zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert erbaute Kloster Haghartsin zu den Hauptsehenswürdigkeiten. Am Lake Parz im Dilijan Nationalpark vergnügen sich Familien und Urlauber mit Tretbooten, einem Seilgarten und einer Zip-line. Für jeden ist etwas dabei – wir besuchen alle Orte und fallen am Abend müde ins Bett.
Richtung Süden – am Sewansee entlang
Es geht weiter, vorbei am Sewansee, dem größten Süßwassersees des gesamten Kaukasus. Der See ist rund doppelt so große wie der Bodensee. Er liegt inmitten einer kargen Gebirgslandschaft auf fast 2.000 Meter Höhe. Überhaupt bewegen wir uns in Armenien stetig auf über 1.000 Höhenmeter. Neben dem See und der gesamten Kulisse selbst, ist auch das Kloster auf der Halbinsel am nordwestlichen Ufer beeindruckend. Das Sevanavank-Kloster thront dabei postkartentauglich auf einer Landzunge über dem Wasser. Es ist Sonntag und wieder sind unzählige armenische Besucher vor Ort.
Wir umrunden den See auf der westlichen Seite und kommen auf der Hälfte der Strecke an einem besonderen Friedhof vorbei. Es ist der mittelalterliche Noratus-Friedhof mit seinen über 900 Steinkreuzen. Der größte Steinkreuz-Friedhof der Welt erzählt mit seinen verzierten armenischen Grabsteinen, die Geschichte der Personen, die dort begraben liegen. Die ältesten Grabsteine stammen aus dem 1. bis 2. Jahrhundert. Die „Pflege“ dieses riesigen Grabfeldes hat eine ältere Frau mit ihren Schafen übernommen.
Orbelian – Karawanserei und Wodka
Nur ein paar Kurven unterhalb des Vardenyats-Gebirgspasses auf 2.400 Metern taucht neben der Straße die alte Karawanserei Orbelian auf. Das schlichte, gut erhaltene Steingebäude ließ der armenische Prinz Chesar Orbelian 1332 an der damals hier verlaufenden Seidenstraße errichten, um Händler und deren Tiere zu beherbergen. Ein älteres Ehepaar hat sich mit ihrem Auto neben der Karawanserei platziert. Sie haben ihren Wagen in einen Tante-Emma-Laden umgewandelt. Im Angebot sind selbst gebrannter Wodka in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und jede Menge nützliche und nutzlose Dinge. Ein ehrliches Lächeln und ein Plausch sind immer drin, sagt Tatev, auch wenn man nichts kauft. Armenische Gastfreundschaft eben. Die erlebt auch Harald, als er sich etwas abseits begibt und an drei picknickenden Armeniern vorbeikommt. Schnell wird er dazu gebeten und mit Wodka und gegrillten Innereien bewirtet. Die Innereien sind nicht so lecker. Kein Problem – der nächste Wodka ist schon eingeschenkt. Die Fahrt zur Unterkunft in Jeghegis wird danach zur Partyfahrt.
Dschermuk - heiße Quellen und das Haar der Meerjungfrau
Weiter südlich sind wir am kommenden Tag in Dschermuk. Die kleine Stadt liegt in der landschaftlich schönen Provinz Wajoz Dsor, in der es viele Thermalquellen gibt. Die Temperaturen der Quellen sind zwischen warmen 33 Grad und heißen 65 Grad. Zu Sowjetzeiten wurde Dschermuk zu einem bekannten Kurort ausgebaut. Auch heute stehen hier große Hotels, vor allem für russische Gäste. Bekannt ist Dschermuk außerdem für sein Mineralwasser, dass man im ganzen Land kaufen kann. Eine Besonderheit ist auch der Dschermuk Wasserfall oder auch "Meerjungfrauen Haare Wasserfall" genannt. Das Wasser fällt 70 m über eine Steinwand in mehreren Kaskaden nach unten und sieht fast so aus, als wenn die Meerjungfrau ihr Haar fallen lässt.
Die längste Pendelseilbahn der Welt
Die Seilbahn zum Kloster Tatev ist mit 5,5 km die längste Pendelseilbahn der Welt und wir sitzen drin. Dabei schweben wir gerade über die rund 500 m tiefe Worotan-Schlucht. Die Fahrt dauert 11 Minuten und erspart uns eine mehr als 30 Minuten lange Fahrt auf einer 14,5 km engen und kurvenreichen Straße durch die Schlucht. Die Seilbahn Wings of Tatev wurde im Oktober 2010 eröffnet. Dabei teilte man den Einwohner der umliegenden Dörfer mit, dass sie einmal pro Tag umsonst fahren dürfen. Die Seilbahn ist mit ihren Kosten von ungefähr 13 Mio. € Teil eines 50-Millionen-Dollar-Programmes, mit dem der Tourismus im Südosten Armeniens gefördert werden soll. Wieder einmal thront an oberster Stelle das Kloster und wieder einmal haben wir von hier einen großartigen Blick.
Eine Wein- und Wodkaprobe in Areni, ein über 5.000 Jahre alter Schuh und der symbolträchtige Berg Ararat
Wir verabschieden uns vom südöstlichen Punkt unserer Reise in Armeniens und fahren Richtung Hauptstadt Jerewan. Auf dem Weg dorthin, besuchen wir eine Höhle, in der der älteste Lederschuh der Welt gefunden wurde. Das gut erhaltene Teil ist 5.500 Jahre alt und hat die Schuhgröße 37, erzählt uns Tatev. Sogar die Schnürsenkel sind noch vorhanden. Nicht zuletzt ist die Fußbekleidung so gut erhalten, weil der Schuh unter einem dicken Haufen Schaafdunk lag und die Höhle ein trockenes und kühles Klima hat.
Gegen Mittag haben wir eine Weinprobe in der Areni Wine Factory. Historikern zufolge werden armenische Weine seit etwa sechstausend Jahren hergestellt. Gleich nach der Sintflut soll in der fruchtbaren Ebene zu Füßen des Ararat der Weinanbau in Armenien begonnen haben. Die Trauben sind fast alle dunkel. Für unsere Weinprobe stehen mindestens 10 Flaschen vor uns – vom Weißwein, Rotwein bis hin zu diversen Obstweinen. Zum Schluss können wir noch über 50%tigen Wodka testen. Die Weinprobe verläuft recht zügig. Das liegt daran, erklärt Tatev, dass hier viele Russen herkommen. Die seien es eben gewohnt, sich dabei nicht lange aufzuhalten. Es ist über 30 Grad warm als wir aus der Wine Factory torkeln.
Unser Blick hat sich wieder geschärft, als wir kurz vor Eriwan den kleinen 3611 m und den großen 5137 m Ararat sehen. Auf diesem Gebirge soll nach der Sintflut die Arche Noah gestrandet sein. Von den Armenien wird der Berg Ararat seit ältesten Zeiten als ihre geistige Heimat betrachtet. Allerdings liegt er jetzt auf dem Gebiet der Türkei. Gleich hinter dem Kloster Chor Virap verläuft die türkisch-armenische Grenze.